Snuten lekker leben und arbeiten – KLUB DIALOG

Snuten lekker leben und arbeiten

Harje Kaemena betreibt mit seiner Familie den Biohof Kaemena - ein besonderer Lebensstil mit viel Leidenschaft

Im Jahr 1995 entschieden meine Eltern, Heike und Bernhard Kaemena, eine alte, baufällige Fachwerkscheune zu renovieren und zu zwei Ferienwohnungen auszubauen. Die Investitionen waren groß und die Kritiker und Zweifel zahlreich. Ein Jahr nach Baubeginn waren die Wohnungen fertig und kaum stand das Hinweisschild „Ferienwohnungen“ auf dem Deich, klingelte schon die erste Fahrrad-Truppe mit dem Wunsch nach einer Unterkunft. Wir kalkulierten schnell den Übernachtungspreis und schon kamen wir ins Geschäft.

Die „alte, baufällige Fachwerkscheune“ im Bremer Blockland sieht heute so aus. Aber viele von euch kennen sie ja.

Das war ein Novum auf unserem Milchviehbetrieb: Wir boten ein Produkt an, bestimmten selbst den Preis und bekamen noch ein Dankeschön, als die Übernachtungsgäste den vereinbarten Preis bezahlten. So etwas kannten wir als Milchviehhalter nicht. Denn bis zu diesem Tag hatten wir noch nie eine Rechnung selbst geschrieben. Ein Landwirt, der Milch herstellt, bekommt eine Abrechnung von der Molkerei, die seine Milch vertragsgemäß abholt und er definiert den Preis niemals selbst. Der Preis wird immer von der Molkerei bestimmt. Die Ferienwohnungsvermietung war unser Einstieg in die „Direktvermarktung“.

Anfang der 2000er Jahre – die BSE-Krise hatten wir ohne eigene Tierverluste fast hinter uns – entschied mein Vater, unseren Milchviehbetrieb „auf Bio umzustellen“. Er hatte es satt, keine Kontrolle über das zu haben, was im Tierfutter verarbeitet wurde und ein Spielball des konventionellen Milchmarktes zu sein. Er startete mit Selbstversuchen auf unseren Wiesen: Wie kommt unser Grünland ohne mineralische (künstliche) Düngemittel aus, wie verändert sich der Pflanzenbestand, wenn man nur noch mit betriebseigenen Düngemitteln (Mist und Gülle) düngt?

Mitte 2003 entschied die Familie Kaemena einstimmig, dass die zukünftige Ausrichtung des Familienbetriebes „Bio“ sein sollte. Der Antrag auf Umstellung auf ökologischen Landbau wurde gestellt und Mitte 2005 war der Status „Bio-Betrieb“ erteilt.

Nicht nur Eis essen und Kaffee trinken können große und kleine Besucherinnen und Besucher hier. Man kann sich auch ausgiebig anschauen, wie es hinter den Kuh-lissen aussieht.

2003 entschied ich mich auch für die Rückkehr auf meinen elterlichen Betrieb und begann mit dem Studium zum Diplom-Agraringenieur an der Fachhochschule Kiel.
Mit meiner Entscheidung, doch in den Familienbetrieb einzusteigen, ist auch die Entscheidung für eine Direktvermarktung und gegen die Vergrößerung des Kuhbestandes gefallen. Mitte 2005 öffneten wir dann die Türen unserer Eisdiele.

So schnell wie uns der Markt mit qualitativ guten Bio-Rohstoffen beliefern konnte, stellten wir auch die Speiseeis-Herstellung auf Bio um und sind damit bis heute die einzige Eisdiele in Bremen, die zertifiziert Bio-Speiseeis herstellt – aus 100 Prozent Bio-Zutaten!

 

Wir haben die Entscheidung, nach ökologischen Standards zu arbeiten, nicht aus rein finanziellen Gründen gefällt. Wir sind davon überzeugt, dass das der richtige Weg im Umgang mit Tier, Pflanze und Mensch ist. Finanziell lässt sich diese Überzeugung aber auch nur leben, wenn es Verbraucher gibt, die uns vertrauen und bereit sind, den höheren Preis für die von uns hergestellten Lebens- und Genussmittel zu zahlen.

Ökologischer Landbau ist für uns nicht nur Landwirtschaft – für uns ist das auch Freiheit im Sinne von Selbstbestimmtheit. Zwar müssen wir uns an die Regeln der EU-Bio-Verordnung und auch des Bioland-Anbauverbandes halten, wir sind aber unabhängiger von Weltmärkten und Konzernen, die uns das Saatgut, die Futtermittel oder die Düngemittel aufzwingen. Wir sind wieder selbstbestimmt in der Wahl, dürfen kleinteiliger denken.

Foto: Timo Jaworr

Zusätzlich geht es auch immer wieder um uns. Wie gehen wir miteinander um…? Seit der Umstellung zum ökologischen Landbau sind wir Teil einer Wirtschaftsform, in der Vertrauen untereinander herrscht. Fragen an Kollegen werden nicht als Schwäche ausgelegt, sondern als Austausch von Erfahrungen. Zahlen werden verglichen, ohne Großmut hervorzurufen. Wir dürfen voneinander lernen.

Wir stehen morgens gerne auf, sind stolz darauf, dass wir es geschafft haben, mit vier Generationen an einem Projekt arbeiten zu können, Produkte anzubieten, die von unseren Gästen gerne gegessen werden, und freuen uns über jeden, der uns über eine Rückmeldung die Chance gibt, gut zu bleiben oder besser zu werden.

Weniger ist mittlerweile ganz oft mehr. Wir lieben Lebensmittel mit Charakter – schade um alles, was sich nicht von anderem unterscheidet. Wir haben ja schließlich alle einen eigenen Geschmack. Deshalb muss „man“  – oder „es“ – auch nicht zwingend jedem gefallen.

(Fotos: Harje Kaemena)

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