Es ist trüb. Die Wolken hängen tief, Dunst zieht vom Hafenbecken herüber. Die letzten Blätter der Bäume und Sträucher hängen gelb und nass von den Ästen herab. An diesem verhangenen Sonntagnachmittag sieht das Vollers-Gelände in der Überseestadt nicht aus, als sei hier der Genuss zu Hause. Der Weg vom Tor bis zum Schuppen 6 zieht sich hin. Dann liegt ein Duft von Tee in der Luft. Das passende Getränk für einen trüben Herbsttag: Tee ist Genuss für Leib und Seele.
Bei der Berthold Vollers GmbH in Bremen wird dieser Genuss produziert. Wie, wo und mit welchen Methoden? Das zeigt Christine Glenewinkel regelmäßig Besuchern. Die Kulturwissenschaftlerin hat im Auftrag der Berthold Vollers GmbH für das Hafenmuseum Speicher XI eine Führung entwickelt.
„Das ist der größte Logistiker, den wir hier in Bremen haben“, sagt Christine Glenewinkel über die Berthold Vollers GmbH. Christine Glenewinkel führt die Besucher in den Seminarraum im ersten Stock. 24 verschiedene Teeproben sind auf einem Tisch aufgereiht, später können die Teilnehmer sie beschnuppern. Doch als Erstes blicken sie in das Lager. Auf Paletten und in Hochregalen ist dort der Tee gestapelt. Früher wurde er in Sperrholzkisten transportiert. Heute wird er in Säcke abgefüllt, luftdicht verpackt und per Container verschifft. Der Vollers-Stückgut-Schuppen ist riesig: 19000 Quadratmeter auf zwei Ebenen, das Lager ist also etwa so groß wie drei Fußballfelder.
aber auch Tee spielte hier schon immer eine wichtige Rolle. Und weltweit ist es nach Wasser das beliebteste Getränk. In Hamburg angelandet, kommt die Ladung dann per Lkw nach Bremen in die Überseestadt. „Insgesamt werden in Deutschland 20000 Tonnen Tee jährlich konsumiert“, erklärt Christine Glenewinkel. Bei Vollers würden alleine 5000 Tonnen umgeschlagen. „Damit werden indirekt alle Marken bedient, die wir kennen.“ Es gibt also kaum eine Marke, bei der Vollers beim Tee nicht mitmischt.
Die Unternehmen liefern ihre Teerezepte an, und in der Bremer Überseestadt werden die Tees nach den Wünschen der Kunden gemischt und aromatisiert. Das nennt sich: Veredeln.
Um ihm einen bestimmten Geschmack zu verleihen, können auf einen Tee bis zu fünf verschiedene Aromen „aufgesprüht“ werden, erklärt Christine Glenewinkel. Hersteller verwenden dafür Aromen weil, „so viel Erdbeere und so viel Vanille, wie wir wollen, sind weltweit gar nicht anzubauen.“ Und Aromen gibt es nicht nur beim Konsumtee, sondern auch bei Bio-Tees.
Tee ist ein Naturprodukt, und jede Pflückung ist daher anders. Die Veredelung garantiert den Unternehmen, dass sie ihren Kunden einen konstanten Geschmack und einen stabilen Preis bieten können. Damit diese Tees auch wirklich immer identisch schmecken, dafür sind die sogenannten Tea-Taster verantwortlich. Diese Geschmacksexperten stellen die Rezeptur sicher.
Es gibt auch sogenannte Gartentees. Das sind dann Tees aus einem bestimmten Teegarten oder einer bestimmten Pflückung, die nicht gemischt werden. Sie besitzen einen ganz individuellen Geschmack, der von Ernte zu Ernte variiert.
Tee ist nichts für Hektiker, jedenfalls wenn es nach den Ostfriesen geht. Das lernt die Teegesellschaft an diesem Nachmittag auch. Bei einer Tasse Friesentee erklärt Christine Glenewinkel, wie die Ostfriesen ihre Teezeremonie zelebrieren: Erst das Kluntje in die Tasse, dann den Tee einschenken, der es knistern lässt– „Das Kluntje ist ja wie ein kleines Lagerfeuer in der Tasse.“ – und schließlich mit dem Löffel die Sahne für das Wölkje einfüllen. „Beim Umrühren scheiden sich die Geister.“ Manche halten dies für eine Unsitte, andere machen es trotzdem. Und wer den Löffel in die leere Tasse legt, signalisiert, dass er genug Tee hatte – aber drei Tassen müssen es mindestens sein.
Zu Friesentee und Gebäck serviert Christine Glenewinkel allerlei Informationen und Zahlen über die Teepflanze, Anbaugebiete und Produktion, aber auch zur Geschichte, zu unterschiedlichen Teezeremonien und Trinkgewohnheiten. Und sie zeigen einen Film, der erklärt, wie Tee angebaut, geerntet und weiterverarbeitet wird.
Der botanische Name des Teestrauchs ist Camelia sinensis. Er ist eine Pflanzenart aus der Gattung der Kamelien und auch mit der Heide verwandt. Für Tee werden zwei Unterarten der Pflanze angebaut: die Camelia var sinensis und die Camelia var assamica. Sie unterscheiden sich in der Größe der Blätter und ihrer Intensität. Gepflückt werden jeweils die Knospe und die zwei dazugehörigen Blätter (two leaves and one bud) – also die jüngsten Triebe – des Teestrauchs.
Übrigens: Grüner Tee und schwarzer Tee stammen von der selben Pflanze, sie werden nur unterschiedlich weiterverarbeitet. Bei Schwarztee werden die Blätter gerollt, wodurch deren Saft austritt und mit Sauerstoff oxidiert. Dieser Vorgang – die sogenannte Fermentation – ist das A und O für die Qualität des Tees. Für die Herstellung von grünem Tee werden die Teeblätter geröstet, wodurch die Fermentation verhindert wird, und erst dann gerollt. Das Rollen des Tees hat auch zur Folge, dass die Blätter zerkleinert werden. Je nach Größe werden Teeblätter in unterschiedliche Blattgrade eingeteilt: Blatt-Tees, Broken-Tees, Fannings und Dust. Blatt-Tee ist der größte Blattgrad, Dust (englisch: Staub) der kleinste.
Und wer trinkt nun weltweit den meisten Tee? Die Hitliste der Teetrinker führen nicht etwa die Briten an, die ja für ihre Tasse Tee berühmt sind. Diesen Rekord halten seit vielen Jahren die Ostfriesen: 300 Liter Tee trinkt jeder Ostfriese im Jahresschnitt. Die Briten schaffen es nur auf knapp 200 Liter pro Kopf und die übrigen Deutschen gerade mal auf 30 Liter. Kein Wunder also, dass die ostfriesische Teetied mittlerweile zum immateriellen Kulturerbe der UNESCO gehört.
Geschmäcker sind bekanntlich verschieden, aber die Auswahl an Teesorten ist riesig. Varianten, seinen Tee zu trinken, gibt es also viele. Doch eines ist allen gemeinsam: Wer sich einen Tee aufbrüht, sollte sich Zeit nehmen, ihn zu genießen.
Die Führung „Teetied“ und weitere informative Führungen rund um Bremen und seine Hafentradition bietet das Hafenmuseum Speicher XI. Kontakt: Hafenmuseum Speicher XI, Am Speicher XI 1, 28217 Bremen, Telefon: 0421/3038279, E-Mail: info@hafenmuseum-speicherelf.de. Geöffnet ist das Museum dienstags bis sonntags von 11 bis 18 Uhr (für Schulklassen auf Anfrage auch ab 9 Uhr).
Wer mehr über Tee in Bremen erfahren möchte, findet auch Interessantes im Blog der Bremer Tourismus Zentrale (BTZ).
Informationen zur hiesigen Teetradition und Bremen als Teestadt bietet außerdem die Wirtschaftsförderung Bremen (WFB).
Zahlen, Daten, Fakten und Wissenswertes zu Tee hat auch der Deutsche Teeverband auf seiner Internetseite (zum Beispiel die Hitliste der Teetrinker).