Kreativschaffende müssen findig sei, wenn sie eigene Projekte finanzieren wollen. Ein häufig gewählter Weg ist, bei Stiftungen, öffentlichen Institutionen oder EU-Behörden um Drittmittel zu werben. Das kostet Energie und braucht spezielle Qualifikationen. So mancher ist durch das Schreiben von Förderanträgen zum Experten in „Behördensprech“ geworden.
Ein anderer Weg zum Geld ist die Bewerbung auf eine Festivalausschreibung, verheißungsvoll „Call for Proposals“ genannt. Auch hier werden für manchmal marginale Geldsummen exorbitante Nachweise der künstlerischen Qualifikation verlangt. Ein konzeptionell ausgefeiltes Feuerwerk an kreativen Ideen soll es sein.
„Vertraut uns doch einfach“, möchte da der – oder die – Kreativschaffende dem Geldgeber zurufen. „Wir sind gut! Wir können das!“ Die gärtnerpflichten, eine freie Performancegruppe, hat genau das getan. Ein Schweizer Kulturfestival hatte sie zum fünften Mal aufgefordert, sich bei seiner internationalen Veranstaltung zu bewerben. Doch auf die wohlüberlegten Projektanträge der Gruppe gab es nie eine Reaktion – geschweige denn Geld.
Lest selbst:
herzlichen Dank für eine Ausschreibung, die thematisch viele Freiheiten lässt und nach allen Seiten offen ist!
Wir nehmen uns die Freiheit, diese ernst zu nehmen, da wir uns fragen, ob die „ungewohntenOrte“ für die Kunst noch interessant und aus der Ferne identifizierbar sind. Das Ungewohnte ist durch die Praxis der „überraschenden Entdeckung in Fortsetzung“ eher zum Üblichen geworden. An den unvorstellbarsten Flecken, in jeder noch so randständigen Nische, an so vielen abstrusen und abgelegenen Orten wurde bereits interveniert.
Wir können das Ungewohnte als möglichen Ort für die Kunst nur noch mit Mühe entdecken. Auf Anhieb und aus der Ferne fällt uns dazu nichts mehr ein. Trotzdem verkünden wir frank und frei: Sehr gerne würden wir zum Festival in die Schweiz kommen! Denn wir sind überzeugt, dass wir einen guten Beitrag leisten werden.
Dafür bitten wir um ungewohnte VORSCHUSSLORBEEREN (Projekttitel).
NOCH wissen wir nicht, was wir tun werden und müssen etwas im Ungefähren bleiben. So bieten wir zum jetzigen Zeitpunkt schlicht an:
Wir kommen als interdisziplinäre Crew mit drei Performer*innen zum Festival und schauen uns um. Eine Woche lang durchstreifen wir gut sichtbar den Stadtraum und umliegende ländliche Gefilde. Wir werden Dinge, Räume, Orte, Haltungen und Handlungen entdecken, mit Ansässigen kollaborieren, wo es ratsam ist, rastlos sein, fragen, finden, verkehren, zerpflücken und verdichten. Gemäß unserer Strategie PLANEN DURCH MACHEN werden wir etwas Lorbeerwürdiges entwickeln.
Das haben wir schon oft gemacht. Damit kennen wir uns aus. Das können wir. Wir brauchen nur etwas Zeit, denn an Orten, die für uns fremd sind, müssen wir uns erst einmal orientieren. Vor dem Hintergrund unserer Erfahrungen und Professionalität können wir aber versichern: Es wird etwas Treffliches stattfinden!
Somit möchten wir hier und heute den Tagungsort der Jurysitzung als unseren „ungewöhnlichen Ort“ ausrufen, an dem mutige Entscheidungen getroffen werden: für VORSCHUSSLORBEEREN und freudiges Risiko!
Im Gegenzug bedanken wir uns schon jetzt für das nötige Vertrauen. Unser beigefügtes Material hilft sicherlich, mögliche Zweifel auszuräumen. Gerne möchten wir für unser Projekt in der Höhe bezahlt werden, die vom Festival-Team für künstlerische Arbeit in diesem Umfang veranschlagt und für adäquat gehalten wird.
Wir freuen uns auf die Zusammenarbeit und verbleiben mit freundlichen Grüßen,
die gärtnerpflichten