Stefanie Schnakenberg hat auf der KLUB DIALOG-Bühne bereits über ihr vielfältiges Leben berichtet. Sie arbeitet unter anderem ehrenamtlich als Sterbebegleiterin. Für das KLUB MAGAZIN habe ich sie zum Wert dieser Arbeit befragt.
Ich begleite Menschen an ihrem Lebensende sowie deren Familien und Freunde durch diese letzte aufreibende Phase, denn der herannahende Tod ist eben kein fröhliches Ereignis wie z.B. eine Geburt – wo alle gern zusammenkommen. Viele haben auch leider gar niemanden an ihrer Seite, sie sind allein. Der Hauptteil dieser Arbeit besteht aus Reden und ganz viel Zuhören, Sorgen und Ängste thematisieren, Auffangen und zeigen, dass niemand allein da hindurch muss, sondern dass man die letzten Wochen und das Sterben auch wertvoll gestalten kann.
Ich war bei meinen Großeltern in der letzten Phase, also auch beim Tod, dabei. Es war hart, aber machbar und das Gespenst „Sterben“ verlor von Mal zu Mal seinen Schrecken. Das I-Tüpfelchen war vor einigen Jahren eine enge Freundin, die sehr plötzlich und leider auch sehr schwer starb. Was hängen blieb, waren ihre letzten Worte, die sie immer wiederholt hat: „Es ist so schön, dass Du da bist.“ Die Ausbildung zur Hospizhelferin war eine Mischung aus Selbsttherapie, nämlich ihren Tod verarbeiten, und mehr daraus machen, dass ich sie anscheinend für sie sehr gut begleitet habe. Ich wusste, ich kann auch für andere da sein.
Einen sehr hohen, denn diese Arbeit beinhaltet einen ganz großen Teil meines Wertesystems. Und es ist ein auf den Boden zurückkommen, ein Erden. Man wird still und demütig im Angesicht des Todes. Ich komme beruflich aus dem Bereich Vertrieb und Marketing, eine reine Leistungsgesellschaft, höher, schneller, weiter, mehr Profit erwirtschaften in einer lauten Welt. Der Tod hingegen ist ganz still. Die Menschen werden ruhig, ziehen sich in sich selbst zurück und das ganze Drumherum blendet man sogar als Begleiter vollkommen aus, weil es in dem Moment gar nicht zählt.
Auch Status hilft hier nicht weiter. Wir gehen alle gleich, ob wir wollen oder nicht. Ich liebe Erfolg und ich liebe den Vertrieb, ich bin beruflich ein voller Leistungstyp, Gas geben, nicht Kleckern – Klotzen! – trotz dass ich sage, es muss dabei immer fair zugehen. Die Hospizhilfe ist die Balance zum Job.
Und genau das ist der Punkt. Es ist ein Zugewinn für die Freizeit, keine Opfergabe. In der Ausbildung habe ich schöne Worte gelernt: „Nie war der Himmel blauer und nie haben die Vöglein schöner gesungen, als wenn gerade jemand gestorben ist.“ Und genau das stimmt. Alles andere, was man selber dann noch alles machen kann, nimmt man selbst plötzlich viel bewusster wahr, das ganze Leben nimmt man nicht mehr für selbstverständlich.
Ja, definitiv. Unsere Zeit auf dieser Erde ist kostbar und wir alle wissen nicht, wann sie abgelaufen ist. Wir werden alle sterben! Und wenn es bei mir soweit ist, möchte ich sagen können, dass jeder Moment wertvoll und lohnend war. Ich verbringe meine Zeit nicht mehr mit Menschen, die ich nicht mag und ich mache beruflich keine Arbeit mehr, hinter der ich nicht stehe. Eigentlich mache ich überhaupt nichts mehr, was ich nicht von ganzem Herzen will – außer die Steuererklärung…
Nein, noch nie. Im Gegenteil, ich bekomme unendlich viel Dankbarkeit und Vertrauen entgegengebracht. Von Sterbenden und auch von ihren Familien. Ich habe mal die Mutter einer Lehrerin begleitet. Und neulich erfuhr ich über mehrere Ecken, dass sie ihrer Schulklasse von mir erzählt hat. Das hat mich sehr gerührt.
Dass ich mit jeder guten Begleitung auch Spuren auf dieser Welt hinterlasse. Dass auch von mir mal etwas bleibt, wenn ich selbst schon weg bin. Außerdem das positive Feedback und natürlich auch der Fakt, dass in dem Bereich noch viel zu wenig getan wird.
Es ist noch viel Arbeit zu leisten, bis der Tod wieder in der Mitte unserer Gesellschaft angekommen ist. Früher war das anders. Da wurde zu Hause im Kreise der Lieben gestorben. Die Enkel saßen um Oma und Opa herum und haben die Verstorbenen auch noch angefasst – was übrigens ein wichtiger Prozess des Begreifens im wahrsten Sinne des Wortes ist. Heute zählen Schönheit, Jugend, Leistung, Jetset, gesund und stark sein. Zur Not haben wir ja noch Geld und können uns das alles kaufen. Alter, Krankheit und Schwäche werden hingegen ausgegrenzt. Alte gehen ins Altenheim. Die eigenen Kinder, die einst ja von ihren Eltern gewickelt und gefüttert wurden, sind nicht bereit, dies nun auch für ihre Eltern zu tun. Und ebenso für die Medizin ist jeder Tote ein herber Verlust. Da wird gekämpft bis zur letzten Minute. Teilweise sterben Menschen an einer Chemotherapie eher als ohne, wo sie noch Lebensqualität gehabt hätten. Übertherapiert, weil auch dort das Ableben nur als Niederlage betrachtet wird. Ich wünsche mir hier ein Umdenken.
Vielen Dank für diesen wertvollen Einblick!