Neue Ideen und Geschäftsmodelle rund um Food und Gastro
Gemeinsam wollten wir mit den Erfahrungen der letzten Jahre einen frischen Blick in die Zukunft wagen und haben uns gefragt:
Welche neuen Food- und Gastro Konzepte sind zukunftsrelevant?
Womit kann man fair Geld verdienen?
Welche Trends bleiben, welche kommen?
Welche digitalen Tools unterstützen uns langfristig?
Welche Rolle spielen Geister-Restaurants und Edel Pommes?
Welche Rolle spielen Superfoods wie Reis und Insekten
Am Montag, den 21.06.21, fand dazu nun unser zweiter KLUB LABOR Workshop statt, der von Christian Holz, Vorstand des KLUB DIALOG e.V. und Pate des Workshops sowie dem Innovationsberater Lukas Miggo, geleitet wurde. Gemeinsam mit den Teilnehmer:innen aus der Bremer Food- und Gastro-Szene haben wir im LiLuba Bremen Ideen gebündelt, gemeinsam weiterentwickelt und sind nun auf dem Weg damit die breite Masse zu vernetzen.
Es sollen weitere Termine folgen, wo diejenigen, die Interesse daran haben, sich treffen, um die gemeinsam entwickelten Ideen und den „Prototypen“ auszuprobieren und in die Tat umzusetzen.
Am 13.09. war es dann soweit: in unserem Outcome KLUB STAMMTISCH warfen wir einen tieferen Blick auf das aktuelle Geschehen der Bremer Gastronomie. Nicht nur die Sicht der Unternehmen wurde repräsentiert, auch die Situation der Arbeitnehmer:innen konnte durch die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten näher beleuchtet werden. Eins steht fest: Es herrscht Personalmangel in der Gastronomie und dies soll langfristig geändert werden.
Wir diskutierten aktuelle Probleme, zukunftsrelevante Trends und neue Gastro-Konzepte im KLUB-DIALOG-Workshop
Wie muss es sich anfühlen, im Regen stehengelassen zu werden? Wie lange dauert es, bis Frust in Verzweiflung umschlägt, wenn man weiß: Die Probleme werden weiterhin auf mich einprasseln, aber niemand kommt zur Unterstützung? Bei unserem KLUB LABOR Workshop am 21. Juni drängt sich das Sinnbild auf: Denn heute sitzen wir mit Vertreter:innen aus der Bremer Food- und Gastro-Szene wortwörtlich im Regenschauer. Mit reichlich Kreativität haben einige von ihnen in den letzten Monaten einen Überlebenskampf geführt. Trotz einer Öffnung der Außengastronomie sind viele Betriebe immer noch in einer prekären Lage. Heute spannen wir gemeinsam den Schirm auf: Unter den Zeltpavillons im LichtLuftBad Bremen sprechen wir über Lösungen und Zukunftsperspektiven für die Gastronomie.
Das Jahr 2019 ging noch mit einem Superlativ in die Gastro-Geschichte ein: Eine Studie der npdgroup Deutschland bezeichnete es als eines der besten Geschäftsjahre für den Außer-Haus-Markt innerhalb der letzten Dekade. Dann startete mit den Corona-Lockdowns 2020 die Umsatztalfahrt: Über Monate wurde den Gastronom:innen ihre Berufsausübung zum Schutz der öffentlichen Gesundheit untersagt. Plötzlich waren sie auf finanzielle Hilfe und Unterstützung aus der Politik angewiesen. Doch laut dem Deutschen Hotel und Gaststättenverband waren die Hilfsprogramme für Gastronom:innen nicht ausreichend: Sie würden die Verluste in der Branche nicht ansatzweise decken und viele Betriebe warteten zu lange auf dringend notwendige Zahlungen.
Um der Corona-Krise nicht zum Opfer zu fallen, wurden die Betroffenen innovativ: Sie boten ihre Gerichte als Lieferungen außer Haus an, verwandelten ihre Gasträume in Supermärkte, entwarfen online Events mit Kochboxen für zuhause oder erweiterten ihre Außenbereiche. So mancher nahm erdrückende Kreditsummen auf. Wer die letzten sieben Monate Lockdown überlebt hat, freut sich jetzt über die Wiedereröffnung der Außengastronomie. Dennoch: Laut einer aktuellen DEHOGA-Umfrage bangt noch immer fast jeder zweite der teilnehmenden Betriebe um seine Existenz. Denn verlässliche Perspektiven und echte Planungssicherheit gibt es nicht. In die Hoffnung auf Wiedereröffnung mischt sich auch eine neue Sorge: Nach anderthalb Jahren Pandemie sind die Arbeitskräfte in der Gastro knapp. Viele Mitarbeiter:innen haben sich inzwischen Beschäftigung in anderen Branchen gesucht und die Konkurrenz um fähiges Personal ist groß. Kurzum: Auch im Sommer 2021 steht das Gastgewerbe vor riesigen Herausforderungen.
Schon vor der Pandemie hatte die Gastronomie eine wichtige gesellschaftliche Funktion – sie wurde nur seltener in dieser Rolle wahrgenommen. Laut Trend-Expert:innen wie dem Gastronomie-Unternehmer Pierre Nierhaus könnte sich das künftig ändern: Die Gastronomie als „Klebstoff der Gesellschaft“ werde in den nächsten Jahren gefragter sein als je zuvor. Der Grund: Unser Verzicht während der Pandemie rückte die Bedeutung von Restaurants, Bars und Cafés stärker in das öffentliche Bewusstsein. Entsprechend wird das „Erlebnis“ Gastronomie in Zukunft wahrscheinlich noch beliebter, aber auch anders sein – nämlich geprägt von neuen Entwicklungen, die während die Pandemie in Gang gesetzt oder beschleunigt wurden. Für die Food- und Gastro-Szene bedeutet das:
Wer jetzt an zukunftsrelevanten Konzepten arbeitet, verschafft sich einen entscheidenden Vorsprung.
Das Umdenken während der Pandemie führte auch im KLUB DIALOG zu Veränderungen: In unserem brandneuen Eventformat KLUB LABOR vernetzen wir uns mit den Kreativen Bremens und experimentieren mit Ideen für die Zeit nach der Pandemie. Gemeinsam suchen wir nach zukunftsrelevanten Geschäftsmodellen und Lösungsansätzen für Bremen. Dabei unterstützen uns Expert:innen mit ihrem Wissen: Für unseren Workshop „Gastronomie nach der Pandemie“ steuerte Christian Holz als Inhaber von culicons Foodservice Consulting und Mitglied im KLUB-DIALOG-Vorstand seine Erfahrungen bei. Begleitet wurde er dabei von Innovationsberater Lukas Miggo. Illustratorin Leefje Roy hielt unsere Diskussion in Live-Zeichnungen fest.
Christian Holz eröffnete unseren Workshop mit einem Blick in die Zukunft. Hier ein Ausschnitt der wichtigsten Food- und Gastro-Trends:
Nachhaltigkeit
Corona wirkte als Beschleuniger des Nachhaltigkeits-Trends. So sind vegetarische und vegane Gerichte zunehmend gefragter bei den Gästen. Auch Themen wie regionale Produktbeschaffung und die Vermeidung von Verpackungsmüll gewinnen weiter an Relevanz. Darauf sollten sich Gastronom:innen mit ihren Food-Konzepten einstellen.
Digitalisierung
Digitale Speisekarten, Sitzplatzreservierung online, Storytelling und Gewinnspiele auf Instagram: Während der Pandemie mussten digitale Werkzeuge zwangsläufig analoge Kontakte ersetzen. Auch in Zukunft werden Gäste erwarten, dass ihr Gastro-Erlebnis digital erweitert wird. Interaktionen und Fan-Communities auf Social-Media spielen schon jetzt eine immer wichtigere Rolle in der Gastro-Szene.
Delivery & To-Go
Essenslieferung und Food-to-go werden auch nach Corona ein zentrales Standbein bleiben. Denn Konsument:innen haben sich während der Pandemie an das Bestellen für zuhause und unterwegs gewöhnt. Auch Trends wie Food-Boxen zum Selbstkochen werden sich wahrscheinlich fortsetzen.
Unser Workshop-Gast Jay Mbengui ist Gastrobetreiber und Mietkoch. Während des Lockdowns setzte er auf digitale Werkzeuge, um sein Essen zu den Gästen zu befördern: Die Mietverträge für seine Yup Yup! Superfood Bar in der Überseestadt und einen Stand in der MARKTHALLE ACHT musste er während der Pandemie kündigen. Deswegen brauchte er schnell eine digitale Lösung für Bestellungen – und zwar losgelöst von etablierten Delivery-Angeboten wie Lieferando. Für jeden Bestellauftrag, der über die Lieferando-Website abgewickelt und geliefert wird, hätte er bis zu 30 Prozent Provision abtreten müssen. Das wäre ein Minusgeschäft für Jay. Glücklicherweise hat er aus einer früheren Ausbildung Erfahrung im E-Commerce-Bereich: Mit etwas Hilfe von einem Bekannten konnte er sich einen eigenen online-Shop erstellen. Seine Kund:innen bestellen hier, um sich die Gerichte selbst abzuholen oder sie sich am nächsten Tag liefern lassen. Jays Konzept hat für ihn funktioniert. Es stellt aber eher die Ausnahme als die Regel dar. Denn: „Viele Gastronom:innen sind nicht fit in Digitalisierung“, wie Teilnehmer Daniel Karsch, Referent für Tourismus, Nahrungs- und Genussmittel bei der Handelskammer Bremen, weiß. Seiner Meinung nach ist es schwierig, manche Gastronom:innen für Weiterbildungen im Bereich Digitalisierung abzuholen. Jedoch ist eine fehlende Expertise nicht immer das Hauptproblem: Bei unseren Workshop-Teilnehmer:innen fehlt es primär an Ressourcen wie Zeit und Geld, um die Möglichkeiten der digitalen Zeit zu nutzen.
Nach monatelangen Einschränkungen durch die Pandemie stehen Schlüsselressourcen wie Finanzmittel und Personal im Mittelpunkt der Diskussion. Die Workshop-Gäste im KLUB LABOR fragen sich, wie sie für abgewanderte Mitarbeiter:innen wieder attraktiv werden können. Leider herrschte schon vor Corona ein Negativ-Trend im Bereich Personal. Unsere Teilnehmerin Babette Rösch berät Gastrounternehmen. Sie berichtet, dass die Gastronomie vor allem bei jungen Studierenden an Beliebtheit verloren hat. Der Grund: Sie haben höhere Anforderungen an ihre Jobs als früher und wünschen sich zum Beispiel attraktivere Arbeitszeiten und mehr Ruhetage in der Gastro. Viele Arbeitgeber:innen aus der Branche seien aber nicht bereit, das umzusetzen. Für solche „hausgemachten“ Probleme müssten sie stärker sensibilisiert werden, meint Rösch. Marius Ries, der Küchenchef und Geschäftsführer des Restaurants Canova, pflichtet ihr bei. Er sieht die Hauptursache für Personalknappheit aber an anderer Stelle:„Wir müssen auch Gehälter zahlen können, die kompetitiv sind“, sagt er.
Ries wurde persönlich Zeuge von Abwerbe-Versuchen in seinem Restaurant. Gastro-Vertreter:innen kamen in das Canova, um sein Personal mit Gehaltserhöhungen zu locken. „Ich müsste die Preisgestaltung ändern, um meinen Mitarbeiter:innen konkurrenzfähige Gehälter zu bieten. Aber dann müssen die Gäste auch bereit sein, mehr zu zahlen.“, sagt er, „Wir haben die Corona-Tests schon in der Karte eingepreist. Aber unsere Preise wurden nicht so stark erhöht, wie es nach der Pandemie eigentlich nötig wäre. Um Geld zu sparen, fokussieren wir uns in der Speisekarte schon stärker auf Gemüse anstelle von Fisch oder Fleisch. Aber bei der Qualität der Lebensmittel will ich keine Abstriche machen.“
Die Gäste bestimmen mit: Sind sie bereit, für gute Qualität und faire Löhne mehr zu zahlen?
Babette Rösch sieht ein Problem bei der Verständigung zwischen Gästen und Gastro: „Alles, was Kund:innen sich wünschen, ist nicht bemogelt zu werden.“, erklärt sie, „Ich denke, die Gäste wollen für Qualität und Fairness in der Gastro auch angemessenen zahlen. Aber sie sind misstrauisch, dass Gastronomiebetriebe sich mit überzogenen Gewinnspannen bereichern. Das Problem ist, dass Kund:innen die Hintergründe nicht ausreichend kennen. Sie wissen nicht, was buchstäblich in den Produkten „drinsteckt“ – und dass die Umsätze am Ende niedriger sind als es der Blick in die Karte vermuten lässt.“
Rösch rät zu maximaler Transparenz, um Vertrauen zu schaffen: „Man könnte beim Bezahlvorgang einen zweiten Bong ausdrucken, der aufschlüsselt, wie der Preis für ein Gericht zustande kommt. So erfährt der Gast, welche Teilbeträge tatsächlich in dem Stück Kuchen auf seinem Teller stecken. Auf diese Weise wird auch sichtbar, wie hoch der Anteil zum Beispiel für faire Löhne oder nachhaltige Zulieferer ist.“ Demnach sollten Gastronom:innen nicht nur ihre Preisgestaltung, sondern auch die Herkunft der verwendeten Lebensmittel möglichst offen kommunizieren. Das Canova hat diesen Weg bereits eingeschlagen und veröffentlicht sein Liefernetzwerk auf der Restaurant-Website. Daneben könnten auch niedrigschwellige Kanäle wie Holzschilder oder die Speisekarte geeignet sein, um Informationen in den Gastraum zu tragen.
Einige unserer Teilnehmenden gestehen, ihnen fehle die Zeit oder das Verständnis für Kommunikation – gerade, wenn es um die digitale Welt geht. Wichtige Zusammenhänge in der Gastro-Branche bleiben somit im Verborgenen und relevante Geschichten unausgesprochen: Geschichten, die die Identität von Restaurants an ihr zukünftiges Personal vermitteln, ein Zugehörigkeitsgefühl bei den Gästen erzeugen und die Öffentlichkeit für notwendige Änderungen sensibilisieren könnten.
Kommunikation in der Gastro – Verbraucht oder schafft sie wichtige Ressourcen?
Workshop-Teilnehmende wie Marius Ries wünschen sich einen stärkeren Zusammenhalt in der (Bremer) Gastrogemeinschaft. Obwohl viele Gastronom:innen mit ähnlichen Problemen zu kämpfen hätten, gebe es teilweise offene Konkurrenz und Einzelkämpfer statt gegenseitiger Unterstützung, wie er berichtet. Die Vorteile eines Zusammenschlusses wären offensichtlich: Im Verbund könnten die Gastronom:innen stärker vor der Gesamtöffentlichkeit auftreten, gemeinschaftlich kommunizieren, einheitliche Standards durchsetzen oder Personal tauschen.
Tamara Burow, die Inhaberin von Delikates Burow & Burow, ist skeptisch, ob die Konkurrenzgedanken bei den Gastronom:innen ausgeräumt werden können. Am Ende der Diskussion steht die Idee eines gemeinsamen Labels im Raum: Könnten wir uns mit Bremer Gastronom:innen, die unsere Werte teilen, zu einem Cluster verbünden – und so bei schwierigen Fragen zusammenstehen?
Den Menschen aus der Food- und Gastro-Szene zuhören, sie miteinander vernetzen und nach Lösungen für Herausforderungen suchen: Das war das Ziel unseres KLUB LABORs. In der Diskussion mit unseren Teilnehmer:innen stachen Themen wie Kommunikation und Verständigung besonders heraus. Wir wollen sie auch weiterhin nicht im Regen stehen lassen und können in diesen Bereichen unterstützen. Als KLUB DIALOG arbeiten wir an Folge-Formaten, die Raum für weiteren Austausch bieten – zwischen Gastro, Gästen, Verbänden und Kommunikationsexpert:innen.
Weitere Informationen hierzu folgen.
Ihr möchtet euch in das Thema „Gastronomie nach der Pandemie“ einbringen oder habt Anregungen für uns?
Dann nehmt gerne mit uns Kontakt auf:
Laura Ziegler, Projektleitung beim KLUB DIALOG e.V.
01511 – 178 54 69