Klimaschutz im Alltäglichen – KLUB DIALOG

Klimaschutz im Alltäglichen

Die Klimawerkstadt Bremen zeigt wie es geht

„Jeder Mensch nimmt pro Woche eine Kreditkarte in seinem Körper auf – so eine aktuelle Studie der Umweltorganisation WWF.“ Diese Nachricht erreicht mich per Radio noch vor meinem ersten Kaffee am Frühstücktisch und verdirbt mir augenblicklich den Appetit. Nicht, dass ich mich bisher noch nicht mit der Problematik von Mikroplastik konfrontiert gesehen hätte – den weniger als fünf Millimeter großen Teilchen, die wir zum Beispiel über die Luft und Lebensmittel, aber vor allem über das Trinkwasser zu uns nehmen. Die Studienergebnisse führen mir allerdings besonders eindringlich und mit voller Wucht vor Augen, in welch besorgniserregendem Zustand sich unser Planet tatsächlich befindet. Und wie unmittelbar Umweltverschmutzung und Klimawandel mein eigenes Umfeld, ja, meine Gesundheit und meinen Alltag berühren. Und dass ››einfach so weitermachen‹‹ keine Option ist. Aber wo anfangen? Auf der Suche nach Anregungen stoße ich auf die Klimawerkstadt in der Bremer Neustadt.

Weil Klimaschutz im Kleinen beginnt

Fotos: Lena Richter

Seit Januar 2018 gibt es in der Westerstraße, direkt gegenüber des Stadtgartenprojekts auf dem Lucie-Flechtmann-Platz, einen Ort für nachbarschaftliche Klimaschutzprojekte. Auf 200 Quadratmetern finden sich dort eine offene Werkstatt, Platz für ein Repair-Café, eine Gebraucht-Materialsammlung und vor allem: offene Räumlichkeiten, in denen Gleichgesinnte zusammenkommen.

„Wir sind ziemlich glücklich darüber, wie sich dieser Ort als Anlaufstelle für Klimainteressierte etabliert hat“, sagt Uta Bohls, eine der beiden Projektkoordinatorinnen. Gemeinsam mit Eva Kirschenmann und drei Bundesfreiwilligendienstleistenden gestaltet sie die Klimawerkstadt inhaltlich wie organisatorisch. Einzelne Personen, die sich für Klimaschutz interessieren – aber auch ganz verschiedene umweltaktive Kollektive, die vorher eher unter sich agiert haben, treffen sich hier und organisieren gemeinsame Workshops, Vorträge und Aktionen. Besonders guten Zulauf habe das wöchentliche Repair-Café am Mittwochabend: „Da kommt immer ein bunter Mix aus ganz unterschiedlichen Menschen zusammen.“ Ein gebrochenes Kabel lässt sich dort genauso reparieren wie der Wackelkontakt des Ladegeräts oder das Loch im Strumpf. Mit Hilfe vieler Freiwilliger werden beschädigte Dinge wieder heile gemacht und so vor der Tonne gerettet.

 

Lena Braun und Uta Bohls sind Teil des Teams der Klimawerkstadt Bremen.
„Es ist einfach alles da“

Als im Sommer 2017 die zweijährige Projekt-Finanzierung durch das Bundesumweltministerium gesichert war, hängte Uta, zuvor im Schwesterprojekt „Ab geht die Lucie!“ aktiv, kurzerhand ihren Job als Sonderpädagogin an den Nagel. „Ich hatte einfach Lust, mal was ganz anderes zu machen. Im Privaten habe ich mich schon lange mit Nachhaltigkeitsthemen beschäftigt. Und dann war da plötzlich die Chance, mich auch im Job damit auseinanderzusetzen.“ Seitdem kümmert sich Uta um sämtliche Belange der Klimawerkstadt – von Programmgestaltung, Planung, über Organisation und Finanzen. Ihr persönlicher Antrieb dabei: „Ich finde es immer wieder großartig, festzustellen: Es ist einfach alles da! Wenn man bewusst hinschaut, gibt es wirklich selten eine Situation, in der man etwas neu kaufen muss.“

Die 39-jährige hat sich also insbesondere dem Thema Upcycling verschrieben, dem Weiternutzen von Dingen, die sonst auf dem Müll landen würden. Mit viel handwerklichem Geschick und Kreativität stellte Uta zuletzt extrem widerstandsfähige und schicke Taschen aus gebrauchten Fahrradschläuchen her. Oder Beutel zum verpackungsfreien Einkaufen aus gespendeten Stoffresten. Denn Klimaschutz im Kleinen beginnt für sie genau da: Wer einen Knopf verloren hat oder einfach ein paar passende Schrauben sucht, wird in der Materialsammlung der Klimawerkstadt mit Sicherheit fündig. „Wenn es nach mir ginge, würde ich unseren Material-Fundus um ein Vielfaches vergrößern“, sagt sie lachend.

Die Klimawerkstadt Bremen

Träger der Klimawerkstadt und des benachbarten Gemeinschaftsgartenprojekts „Ab geht die Lucie“ ist der Verein KulturPflanzen. Mit einer offenen Werkstatt, einem Materialfundus, einer Nähwerkstatt, einem Reparatur-Café sowie vielen offenen Angeboten wie Diskussionsrunden, Workshops und Mitmachaktionen möchte das Projekt möglichst viele Menschen zusammenbringen und dabei unterstützen, klimabewusst zu leben. Kollektive und umweltaktive Gruppen wie Fridays for Future, Foodsharing, Solidarische Landwirtschaft, Platz da! Bremen und viele mehr nutzen die offenen Räumlichkeiten des Projekts.

Zukunft ungewiss

Gefördert wird die Klimawerkstadt Bremen über das Projekt „Kurze Wege für den Klimaschutz“ des Bundesumweltministeriums – allerdings nur noch bis Ende August 2019. Wie es dann weitergeht, steht noch nicht fest. Um über die Förderdauer hinweg bestehen zu können, ist die Klimawerkstadt auf Spenden angewiesen. Neben finanziellen Mitteln freut sich das Team immer über Sachspenden wie Stoffe, Werkzeuge, Papier – im Grunde sämtliche Materialien, die sich weiterverarbeiten lassen. Wer eigene Ideen einbringen möchte oder sich als Freiwillige*r engagieren mag, ist jederzeit herzlich willkommen, am offenen Plenum teilzunehmen.

Öffnungszeiten und Aktuelles: >>>

 

Mitmach-Challenge: Wie kann ich klimafreundlicher Leben?

Aktuell veranstaltet die Klimawerkstadt eine sogenannte Klima-Challenge – eine Einladung, sich fünf Wochen lang mit verschiedenen Bereichen des alltäglichen Lebens zu befassen, in denen wir konkret CO2 einsparen können. Jeder Deutsche produziert derzeit laut Umweltbundesamt durchschnittlich rund elf Tonnen CO2 pro Jahr. Nach Berechnungen des Weltklimarates muss der Ausstoß an Treibhausgasen drastisch gesenkt werden – auf unter zwei Tonnen CO2 pro Kopf. Noch bis zum 8. Juli bietet die Klimawerkstadt Infos, Anregungen und Mitmachaktionen, um diesem Ziel möglichst nahe zu kommen, unter anderem zu den Themen Energie, Ernährung, Konsum und Müllvermeidung.

Zero Waste – (wie) geht das?

Über das Thema Abfallvermeidung weiß Lena Braun, Zero-Waste-Expertin und eine von drei Bundesfreiwilligendienstleistenden der Klimawerkstadt viel zu berichten. Während ihres Kulturwissenschaft- und Skandinavistik-Studiums engagierte sich die 25-jährige bei „Unverpackt Kiel“ – dem ersten Unverpackt-Laden Deutschlands. Ihren Alltag gestaltet sie so weit wie möglich nach dem Prinzip Zero Waste. Ganz einfach gesagt bedeutet dies schlichtweg, das eigene Müllaufkommen so weit wie möglich zu reduzieren. Das fängt beim Verzicht von Brottüten beim Bäcker und Strohhalmen in der Bar an und geht so weit, sämtliche Verpackungen – insbesondere in Küche und Bad – zu vermeiden. Alles, was sich nicht umgehen lässt, wird deutlich reduziert und wiederverwertet, wenn möglich recycelt oder kompostiert.

Getreu dem Motto „Der beste Müll ist der, der gar nicht erst entsteht“, hat Lena viele hilfreiche Tipps auf Lager, wie es sich der Alltag verpackungsarm gestalten lässt:

Trockenprodukte füllt Lena im Unverpackt-Laden in mitgebrachte Mehrweggläser.

Zero Waste im Alltag

In der Küche:

  • Lebensmittel unverpackt, Obst und Gemüse lose kaufen
  • Trockenprodukte in Mehrweggläser abfüllen
  • Dinge, die es nicht unverpackt zu kaufen gibt, selber machen
  • Wiederverwendbare, mit Bienenwachs beschichtete Frischhaltetücher nutzen

Im Bad:

  • Feste Shampoos, Seifen und Deos nutzen
  • Haar- und Zahnbürste aus Holz/Bambus sowie aus biologisch abbaubaren Materialien anschaffen
  • Öl anstatt Hautcreme verwenden
  • Wasch- und Reinigungsmittel unverpackt kaufen

Diese Tipps sind natürlich nur eine Anregung, weiterführende Infos findet Ihr beispielsweise hier: >>>

Weitere Bereiche:

  • Beim Kauf von Kleidung auf Kunststoffmaterialien verzichten
  • Second-Hand-Kleidung kaufen
  • Papier als Schmierpapier weiterverwenden
  • Auf Stofftaschentücher und -Servietten zurückgreifen

 

Zum Weiterlesen:

Bea Johnson: Zero Waste Home
Lauren Singer: Trash is for tossers
Shia Su: Wasteland Rebel

In Bremen gibt es derzeit drei Geschäfte, in denen Ihr unverpackt einkaufen könnt:

Füllkorn, SelFair Unverpackt und L‘ Epicerie Bio Unverpackt.

Die Autorin und das Projekt

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