Beim Thema Schweben fallen mir gleich mehrere schöne Dinge ein: Im Traum durch die Gegend gleiten, Seifenblasen pusten, schwerelos den Weltraum entdecken und vieles mehr. Doch es gibt nicht nur tolle oder spannende Dinge, die schweben. Stechende Insekten oder Pollen zum Beispiel sind oft ein Ärgernis, aber geradezu harmlos im Vergleich zu einem unserer größten Umweltprobleme: Den unzähligen Plastikteilchen und anderem Müll, die mittlerweile in den Meeren und Ozeanen der Erde herum schweben. Glücklicherweise sind sich immer mehr Menschen dieser Katastrophe bewusst, doch die perfekte Lösung dafür hat noch niemand gefunden. Um es vorweg zu nehmen: Ich habe sie auch nicht parat. Aber ich habe zumindest eine Idee, die vielleicht einen kleinen Beitrag leisten kann, indem wir die schwebenden Plastikteilchen mit etwas anderem beseitigen können, das schwebt.
Ich studiere Integriertes Design an der Hochschule für Künste Bremen und habe im letzten Wintersemester einen Kurs mit dem schlichten Titel „Water“ belegt. Wir haben uns mit Problemen im Zusammenhang mit Wasser auseinandergesetzt, wie etwa Trinkwasserverschmutzung, Wassermangel und -verschwendung, und aus der Designperspektive nach Lösungen hierfür gesucht. Mich hat dabei vor allem die Verschmutzung der Ozeane beschäftigt und die Recherche dazu sorgt nicht gerade für gute Laune. Von den gigantischen Müllteppichen, die sich auf den Weltmeeren ausbreiten, hat man ja schon häufiger gehört, doch wie bei einem Eisberg sind sie nur der oberflächlich sichtbare Teil des Problems, das viel, viel tiefer ragt. Zum einen befindet sich der Müll nicht nur an der Oberfläche, sondern durchzieht alle Meeresschichten rund um den Globus. Zum anderen sind dies nur die sichtbaren Symptome des eigentlichen Problems, das bereits bei der Entsorgung beziehungsweise der Produktion beginnt. Wollen wir also etwas dagegen unternehmen, so müssen wir die Spur des Abfalls zurückverfolgen.
Die Wege, auf denen Abfall in die Meere gelangt, sind vor allem Flüsse. Das mag offensichtlich klingen, aber wir verdrängen das Problem schnell, denn in Europa scheint die Situation doch in Ordnung zu sein. Stellen wir uns aber einen Moment vor, dass der Jangtse vor unserer Tür verlaufen würde, der längste Fluss Chinas. Er entleert sich orange-braun ins Meer, seine Strände sind übersät mit Müll und seine Flusslebewesen sterben aus – und damit ist er nur eines von zahllosen Beispielen auf der Welt.
Kurz: Ziemlich viele Flussmündungen gleichen einer Kloake. Das heißt aber auch, dass man gerade hier besonders effektiv mit einer Problemlösung ansetzen könnte, bevor sich alles im Meer verteilt.
Nun kann man nicht einfach ein großes Auffangnetz an der Mündung anbringen, wie eine Düse am Wasserhahn, aber die Grundidee geht schon in die richtige Richtung. Es wäre eine Lösung nötig, die autark einsetzbar ist und dabei die Flora und Fauna der Gewässer schont. Außerdem sollte sie einfach und günstig genug sein, damit sie in möglichst vielen verschiedenen Flüssen zum Einsatz kommen kann. Mit diesen Überlegungen habe ich drei verschiedene Systeme entworfen, die selbstständig im Wasser Müll einsammeln können.
Alle drei Entwürfe beinhalten einen Sammelbehälter mit jeweils anderem Design-Ansatz. Schlussendlich habe ich die Idee einer Boje zu einem Prototypen weiterentwickelt, den ich „Garbage Buoy“ nenne. Bojen sind ohnehin in Flüssen in Gebrauch, um den Schiffsverkehr zu lenken und diese Funktion erfüllt die Garbage Buoy ebenfalls, doch gleichzeitig hält sie ihre Umgebung sauber. Mithilfe einer Pumpe in der Boje wird der Müll in einen Auffangbehälter gesaugt, dieser wird von einer Drohne entnommen, an einer Sammelstelle entleert und anschließend zur Boje zurückgeführt. Damit die Drohne den Müll eigenständig auf der Deponie entleeren kann, ist der Verschluss mit einem Magneten ausgestattet. Erreicht die Drohne ihren Bestimmungsort, öffnet ein Elektromagnet die Luken. Die Garbage Buoy wird außerdem nicht etwa aus Plastik gefertigt, sondern mittels Verbundwerkstoffen aus Naturfasern, wie Kork, Flachs und Leinöl auf Epoxidharz-Basis – wasserabweisend und gut zu verarbeiten.
Ja, eine Boje ist eher klein, doch darin liegt ihre Stärke. Sie ist keine zusätzliche Belastung für das Ökosystem und kann sogar recht zahlreich eingesetzt werden. Außerdem setzt mein Konzept auf etwas auf, das es ohnehin bereits in Flussmündungen gibt. Die Garbage Buoy macht Bojen gewissermaßen noch nützlicher, ohne ihre eigentliche Funktion zu beeinträchtigen – Schiffe lotsen und dabei gleich noch den Müll wegbringen.
Derzeit arbeite ich an einem zweiten, größeren Prototypen und habe die Gelegenheit, ihn demnächst in einer Ausstellung im Haus der Wissenschaft Bremen zu präsentieren, im Einsatz ist das Projekt also noch nicht. Auch meine Idee, selbst wenn sie bald funktionstüchtig ist und eingesetzt werden könnte, kann nur einen kleinen Beitrag leisten. Ein erster Schritt, um das Müllproblem zu bekämpfen, wäre damit begonnen, doch wir müssen noch viel weiter gehen. Müll einsammeln hilft – die Müllmengen reduzieren und richtig entsorgen hilft mehr.