Seifen sind ein Genuss. Ihr Schaum und ihr Duft verwöhnen Körper und Sinne. Bei der Herstellung sollte man sich jedoch nicht auf das eigene Gefühl verlassen: Seife selber machen ist eine exakte Wissenschaft, wie Melanie Öhlenbach beim Workshop in der Seifenmanufaktur Martha’s Corner gelernt hat.
Ich liebe Seife.
Es gibt wohl kein anderes Produkt, an dem ich schwerer in einem Geschäft oder auf einem Markt vorbeikomme. Weil sie so wunderbar duftet.
Zitronenverbene, Tannennadeln, Rose, Ringelblume, Lavendel, Kaffee, Schokolade und Meeresbrise: Die Liste an schönen Dingen, die sich in diesen kleinen Stückchen bannen lässt, scheint endlos.
Und dann erst dieser Schaum!
Ja, Seifen finde ich herrlich – und so war ich natürlich gleich Feuer und Flamme, als ich vom Workshop in der Seifenmanufaktur Martha’s Corner in Findorff erfuhr.
Seit März 2018 stellt Claudia Schreiber in ihrem Ladengeschäft an der Münchner Straße 51 eigene Seifen und Kosmetikprodukte her. Mit Sheabutter und natürlichen Ölen von Kokos, Olive, Argan, Avocado und Babassu – je nach Sorte. Handgemacht und ohne Firlefanz, verspricht sie. Bio, fair und nachhaltig.
Das klingt super, finde ich, voll nach Wellness und Genuss – und bin ein bisschen irritiert, als mir zu Beginn des Workshops eine lange Schürze, Handschuhe und eine Schutzbrille gereicht werden. Auf dem Tisch stehen Waagen, Messbecher und Töpfe.
An der Wand hängt das Rezept:
75 Gramm Kokosöl
75 Gramm Sheabutter
75 Gramm Olivenöl
75 Gramm Rapsöl
114 Gramm destilliertes Wasser
39,84 Gramm NaOH
Ach du meine Güte, denke ich. NaOH. Willkommen zurück im Chemieunterricht.
Tatsächlich kommt man auch bei der Herstellung von Bio-Seife nicht um diesen chemischen Bestandteil herum. Natriumhydroxid (NaOH) als Natronlauge angesetzt ist es nämlich, das die Fette und Öle aufspaltet. Oder verseift, wie die Fachfrau sagt.
Viel hilft in diesem Fall aber nicht viel. Im Gegenteil: Wie viele genau von den kleinen weißen Kristallen gebraucht werden, hängt stets von den Ölen und Fetten ab. „Die Menge an Natriumhydroxid muss immer genau berechnet werden. Ist zu viel Lauge in der Seife, kann sie die Haut angreifen“, sagt Claudia Schreiber.
Ätznatron – schießt es mir durch den Kopf, als ich die Kristalle sehe. Eine Erkenntnis, die schlagartig meinen Puls beschleunigt. Meine Handflächen werden feucht, mein Mund ganz trocken. Handschuhe und Schutzbrille sitzen plötzlich wie angegossen.
Tatsächlich bleibt meine Sorge aber unbegründet. Denn das Ansetzen der Lauge entpuppt sich als einfacher als gedacht. Ich finde es sogar äußerst faszinierend, wie sich der Messbecher erwärmt, während ich das Natriumhydroxid mit dem destillierten Wasser vermische.
Auch der Seifenleim aus Lauge, geschmolzenen Fetten und Ölen ist schließlich schnell hergestellt. Während sich die Flüssigkeit unter dem Stabmixer zu einer Vanillepudding-artigen Masse verwandelt, erzählt Claudia Schreiber, wie sie zum Seifensieden kam – und wie sich ihr Erstlingswerk als totaler Reinfall entpuppte: „Ich wollte unbedingt Milchseife machen, weil sie so cremig ist und so einen schönen Schaum macht“, erinnert sich die 50-Jährige und schüttelt lachend den Kopf. „Am Ende stank die ganze Küche bestialisch nach Ammoniak – wie ein Puma oder eine Stinkbombe.“
Sieben Jahre und unzählige Seifenstücke später siedet sie nun in ihrem eigenen Laden – immer mit Blick aus dem großen Schaufenster. „Das Rühren hat etwas Meditatives, ich genieße das sehr“, sagt die studierte Betriebswirtin und Wirtschaftsjuristin, die früher für große Konzerne arbeitete.
Der Schritt in die Selbstständigkeit sei ihr nicht leicht gefallen, dank des beruflichen Hintergrunds aber sicherlich einfacher gewesen als für andere, meint sie. „Schließlich wusste ich, worauf es ankommt.“
Noch kein Jahr ist Martha‘s Corner alt. Das Geschäft, das die bekennende Tierfreundin nach einer ihrer drei Katzen benannt hat, laufe gut, sagt sie. Bestellungen kämen mittlerweile aus der ganzen Republik.
Grund dafür sei nicht nur der Online-Shop, sondern die nachhaltige Ausrichtung: „Die Leute sind dankbar, dass sie endlich jemanden gefunden haben, der gute Naturseife herstellt – ohne künstliche Düfte, ohne Farb- und Konservierungsstoffe und ohne Verpackungsmüll.“
„Martha ist die sanftmütigste meiner drei Katzen und ist immer dabei, wenn ich zuhause kreativ bin“, sagt Claudia Schreiber. Foto: Aylin Krieger
Apropos Verpackungsmüll: Den fertigen Seifenleim fülle ich schließlich in einen ausgespülten Milchkarton und wiederverwendbare Förmchen. Darin verseift die Masse nun bis zu 48 Stunden lang. Erst dann kann ich den Block in kleinere Seifenstücke schneiden.
Sofort verwenden darf ich sie aber noch nicht: Mindestens drei Wochen, besser noch vier bis sechs Wochen, sollen sie noch an einem luftigen Ort ruhen und aushärten. „Je länger Seife ruhen kann, um so milder wird sie“, sagt die Seifenexpertin.
Etwa ein halbes Kilo selbst gesiedete Seife nehme ich nach knapp zwei Stunden Workshop mit nach Hause.
Das sollte erst mal reichen – zumindest für den Rest des Jahres!