Stadt gestalten – KLUB DIALOG

Stadt gestalten

Das autonome Architektur Atelier und die Zwischenzeitzentrale geben Orten neues Leben

In unserer Arbeit als AAA (Autonomes Architektur Atelier) arbeiten wir mit dem existierenden Stadtraum und setzen uns damit auseinander, wie er in der vorliegenden Form intensiver oder überhaupt wieder genutzt werden kann. Häufig handelt es sich dabei um Orte, die aus ihrer Nutzung herausgefallen sind, die nicht im Fokus der öffentlichen Wahrnehmung sind oder sogar eine negative öffentliche Bewertung erfahren. Diese Orte versuchen wir wieder in die Wahrnehmung zu rücken, wir stellen ihre Nutzbarkeit und ihre Möglichkeit heraus.

Das geschieht über ihre Inszenierung mit künstlerischen Mitteln, über Veranstaltungen, die zu einem Verweilen an diesem Ort einladen und über die Einladung, hier wieder zu arbeiten und diesen für sich zu nutzen. An vielen Orten ist es das symbolische Öffnen der Haustür oder des Werkstores, das dazu einlädt sich umzuschauen und etwas kennenzulernen, zu dem einem der Zugang bisher verwehrt war und den man schon immer mal kennenlernen und sich anschauen wollte. Die veränderte Wahrnehmung lädt dann sehr schnell dazu ein, Gedanken und Ideen zu diesem Ort zu entwickeln.

Das WURST CASE unweit des Bahnhofs Bremen-Sebaldsbrück dient seit 2015 als Hauptquartier der ZwischenZeitZentrale.

In unserem Projekt WURST CASE auf dem Areal der ehemaligen Wurstwaren Fabrikation Könnecke in Bremen-Hemelingen luden wir zusammen mit SchauspielerInnen die ersten BesucherInnen und potentiellen NutzerInnen dazu ein, das Gebäude kennenzulernen, zu erforschen und erste Nutzungsideen aufzuschreiben. Bekleidet mit den weißen Kitteln, die vormals in den Produktionsräumen getragen werden mussten, und den vielen Erinnerungsstücken von Könnecke wurde diese erste Besichtigung zu einem Event, das viele Bilder produzierte, die weitere InteressentInnen nach Hemelingen lockten. In klassischen Stadtentwicklungsprojekten funktioniert dies über entsprechende Eyecatcher oder Ankermieter, die die entsprechende Aufmerksamkeit sichern. Diese werden aufwendig inszeniert und gezielt angeworben. Nach unserer Erfahrung funktioniert es aber auch über das Engagement von vielen Menschen, die ein Interesse daran haben, ihre Nachbarschaft, ein Gebäude oder eine Fläche zu gestalten und sich anzueignen.

Dieser Wille zu gestalten, etwas eigenes zu haben, sich praktisch in die Entwicklung des eigenen Stadtteils einzubringen, ist etwas, das uns immer wieder begegnet. Mit der ZZZ – der ZwischenZeitZentrale – können wir seit mittlerweile zehn Jahren für die Stadt Bremen ein Projekt umsetzen, das sich zum Ziel gesetzt hat, leerstehende Gebäude und Brachen auf Zeit wieder nutzbar zu machen und vor allem NutzerInnen zur Verfügung zu stellen, die sich normalerweise keinen Raum zum Umsetzen ihrer Ideen leisten könnten.

Die Räume, die uns zur Verfügung stehen, sind dabei eher in der näheren und teilweise weiteren Peripherie von Bremen angesiedelt. Dies ist insofern herausfordernd, als viele InteressentInnen im ersten Moment nicht direkt auf Raumangebote in Hemelingen, Woltmershausen oder Blumenthal anspringen. Umso wichtiger ist es für uns, die Menschen in diese Stadtteile zu holen, damit ein Gefühl für den Ort und seine Qualitäten entsteht. Gerade in Hemelingen haben wir mittlerweile verschiedene Projekte angeschoben, die von der Bevölkerung mitgetragen werden und die auf große Zustimmung stoßen. Hier würden wir uns natürlich freuen, wenn noch mehr Kreative bereit sind, über den eigenen Horizont im Viertel oder in der Neustadt hinauszudenken und eben auch einmal 500 Meter weiterzufahren.

Oliver Hasemann (im weißen Könnecke-Werkskittel) bei einer Führung durch das WURST CASE.

Natürlich gibt es schon viele Menschen, die in Bremen ihre Umgebung, Nachbarschaft, den Stadtteil und die ganze Stadt mitgestalten und meine Erfahrung sagt mir, dass dies jeder kann und jeder auch machen sollte. Die Zugänge und die Möglichkeiten, dies zu schaffen, sind natürlich unterschiedlich. Investoren mit viel Geld besitzen viel Einfluss und Möglichkeiten, privates Eigentum ist ein sehr geschütztes Gut, auf das nicht sehr einfach eingewirkt werden kann, aber starkes Engagement vieler BürgerInnen kann auch hier Einfluss darauf nehmen, wie unsere Stadt gestaltet wird. Die Anzahl der Projekte, die aufgrund von Protesten nicht zustande kamen, ist bekannt.

Natürlich sollte das Engagement für etwas sein und eben nicht nur dagegen. Die Gestaltung unserer Stadt ist ein andauernder Aushandlungsprozess zwischen unterschiedlichen Interessen und Ansprüchen, denen die Stadtplanung gerecht werden muss. Diesen Prozess zu moderieren und den einzelnen BewohnerInnen die Möglichkeiten zu geben, sich hier einzubringen und ihre Interessen zu artikulieren, ist der Anspruch an die Stadtplanung. Idealerweise gelingt es hier einen Rahmen vorzugeben, der festsetzt, welchen groben Leitlinien und Leitbildern gefolgt wird und ansonsten großen Freiraum zu geben, den der/die Einzelnen nutzen können, allerdings ohne die Belange ihrer Mitmenschen zu beeinträchtigen.

Mich stört es dabei sehr, wenn auf „die da oben“ oder die „Stadt“ als abstrakte höhere, unnahbare Instanz geschimpft wird, der der einzelne machtlos gegenüber steht. „Die da oben“ sind in Bremen häufig direkt ansprechbar und der oben geschilderte Aushandlungsprozess schlägt sich in Gesetzen und Regelungen nieder, die z.B. das Ruhebedürfnis der BewohnerInnen schützen oder Gefahren abwehren sollen. Wenn dies in Widerspruch mit geänderten Ansprüchen gerät, muss dies neu ausgehandelt werden, aber eben mit Rücksichtnahme auf alle BewohnerInnen der Stadt.

 

Fotos: Daniel Schnier

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