Was tun mit dem riesigen Kellogg-Gelände, wenn dort keine Frühstücksflocken mehr produziert werden? Zum Beispiel Wohnungen, Grünanlagen, Gewerbe oder sogar eine Schule ansiedeln! Seit April ist die Bremer Windparkfirma WPD Besitzer des 15 Hektar großen Geländes in der vorderen Überseestadt. In den nächsten Tagen wird der städtebauliche Wettbewerb abgeschlossen sein und dann zeigt sich, welche Gestalt das Areal künftig annehmen wird. Auch die WPD AG möchte in die Entwicklung des Geländes investieren. WPD-Aufsichtsratsvorsitzender Klaus Meier hat dem KLUB MAGAZIN erzählt, was er mit dem Areal vorhat. In vielerlei Hinsicht soll es vorbildlich sein.
Unter dem Namen „Überseeinsel“ wollen Sie als Investor auf einem Teil des ehemaligen Kellogg-Geländes einen neuen Stadtteil entstehen lassen. Welches Bild haben Sie vor Augen, wie es hier in zehn Jahren aussehen soll?
Klaus Meier: In zehn Jahren sind wir schon recht weit gekommen. Drei Viertel des gesamten Areals sind dann bebaut. Um einige aufgewertete Altgebäude, wie Lager, Silo und K-Building etabliert sich ein kleiner neuer Stadtteil. Lebendig, bunt, nachhaltig und sicher. Eine Stadt für Menschen. Für Junge und für Alte, für Familien und Studenten. Die Quartiersstraßen sind autofrei und es gibt Schulen, Kindergärten, Einzelhandel in allen Facetten, Restaurants, Bolzplätze. Das spiegelt sich auch in der Architektur. Eher kleinteilig, neuartig und ökologisch.
Hauptsächlich entwickelt Ihr Unternehmen, die WPD AG, Windpark-Projekte in aller Welt. Nun nimmt sie sich mit dem Kellogg-Gelände einen Ort vor, an dem Menschen leben und arbeiten sollen, was erstmal nicht so naheliegend erscheint. Was reizt Sie an dieser Aufgabe?
Meier: Wir sind über ein paar Umwege und quasi ungeplant zu dem Gelände gekommen. Aber gerade macht es richtig Spaß. Einerseits sehen wir – wie alle Unternehmen in Bremen -, dass viele unserer Mitarbeiter in das Umland ziehen, sobald sie Nachwuchs bekommen. Die Stadt ist zu teuer, zu grau und nicht ausreichend kinderfreundlich. Kann man günstig, grün-bunt und kindgerecht bauen? Wir versuchen es. Andererseits müssen wir für unser Grundanliegen, die Energieversorgung vollständig auf Erneuerbare Energien umzustellen, in Sachen Auto und Heizung umdenken. Im Kellogg-Quartier fährt und heizt man mit Wind.
Das neue Quartier auf der Überseeinsel soll für Familien interessant werden. Daneben soll es auch Gewerbe geben sowie die Industrie, die ja schon da ist. Wie können all diese Nachbarn, die sicher ganz unterschiedliche Bedürfnisse haben, gut zusammenleben?
Meier: Leider ist im Umfeld ja nur noch wenig Industrie. Aber die die da ist, harmoniert unseres Erachtens sehr gut. Vielleicht kann man die Themen Reis (Rickmers Reismühle), Tee (Vollers) und Schellack (Ströver) ganz oder teilweise integrieren. Im Moment noch schemenhaft denken wir darüber nach und wir glauben, dass es für alle ein Gewinn sein kann. Viel schöner als ein Neubaugebiet ist eine gewachsene Stadt.
Einige der vorhandenen Industriegebäude, wie das weithin sichtbare, weiße Kellogg-Silo, sollen erhalten bleiben. Wie könnten diese genutzt werden?
Meier: Wir wollen mit einem Trio aus Kellogg-Silo, Lagerhalle und einem Neubau Büro oder gegebenfalls Schule starten. Hier haben wir schon tolle Bilder. In diesem Dreieck wird das emotionale Zentrum des Quartier entstehen. In die Lagehalle zieht ein niedersächsisches Unternehmen mit rund 200 Mitarbeitern, im Erdgeschoss wird ein größerer Bio- und Regionalmarkt entstehen, dem auch ein oder zwei Gastronomien zugeordnet sind. Im Kellogg-Silo wollen wir ein 3 Sterne Hotel implementieren und auf den fünf Loftetagen planen wir kleine und mittlere Unternehmen aus dem Bereich Nahrungs- und Genussmittel anzusiedeln. Der erste Baustein soll ein echter Aufmacher sein!
Viele Menschen bemängeln an der Überseestadt, dass dort die Atmosphäre fehlt: Klötzchen-Neubauten, eingeschränktes Angebot an Läden, wenig attraktive Grünflächen etc. Wie wollen Sie die Überseeinsel zu einem besonderen, lebenswerten Stadtteil machen?
Meier: Ach – die Menschen in der Überseestadt scheinen mir ganz glücklich. Ich würde nicht so viel auf die Beckmesserei Außenstehender geben. Auf der Überseeinsel sehen wir gleichwohl eine andere Atmosphäre, andere Nutzer. Ist ja schon deutlich geworden. Wir können das umsetzen, weil wir 15 Hektar aus einer Hand entwickeln. Wenn das Gelände auf zehn Entwickler geteilt wäre, würde es sich anders entwickeln. Wir denken Schule, Kita, Blotzplatz, Grün, sicher und nachhaltig. Weil das richtig ist – und auch weil es sonst schwer fällt, 3.000 neue Bewohner und Unternehmen an den Standort zu ziehen!
Werden Sie auch die Menschen vor Ort, zum Beispiel aus Walle, an der Ideenentwicklung beteiligen?
Meier: In vielfältiger Weise planen wir das. Der Beirat in Walle ist die ganze Zeit unser Begleiter. Dann haben wir ein ordentliches Programm für Bürgerbeteiligung vorgesehen und wir planen auch so etwas wie eine Ausstellung zum Standort: „Was war, was wird“, in der alle zu Ideen aufgerufen sind. Aus unseren Windparkvorhaben sind wir gewohnt, stark für Akzeptanz vor Ort zu werben. Hier denke ich, wird uns noch sehr viel positiver begegnet werden und die Beteiligung ist für uns keine lästige Pflicht, sondern eine große Chance für das Vorhaben.
Als wir unser neues Unternehmensgebäude gebaut haben, waren alle Mitarbeiter aufgerufen, ihre Wunschliste zu senden. Wir haben großartige Impulse bekommen und auch die Kollegen sind – glaube ich – zufrieden, auch wenn nicht alle Wünsche umgesetzt wurden.
Allmorgendlich und allabendlich quälen sich die Autofahrer im dichten Stau durch die Überseestadt. Mehr Wohnungen und Arbeitsplätze auf der Überseeinsel führen vermutlich zu noch mehr Verkehr. Haben Sie Antworten auf das Mobilitätsproblem in der Überseestadt?
Meier: Zunächst mal provokant. Die Überseestadt hat kein Verkehrsproblem. Die Probleme liegen auf der B75 und der A1. Mit Abschluss der Megabaustelle auf der A1 Ende 2018 wird es wieder Entlastung geben und der andere große Schlüssel liegt im Schluss der A 281. 2022 passt deshalb ganz gut zu unserem Vorhaben. Unabhängig davon wird aus dem Bereich Wohnen wenig Zusatzbelastung hervorgehen. Wer hier wohnt, braucht kein Auto. Die Linie 3 ist eng getaktet und schneller als jedes Auto. Mit dem Fahrrad erreicht man alles schnell. Man kann ein Auto besitzen und in einer dafür vorgesehenen Hochgarage einstellen. Benutzen muss man es nicht zwingend.
Meier: Der Mensch und seine Bedürfnisse müssen das Zentrum von Planung sein. Einfach, oder? Warum ist das Ostertor oder die Neustadt so anziehend? Weil sie Spaß machen, das Bild der Straßen – und ich meine die Architektur wie die Menschen – bunt sind. Bunt heißt, verschiedene Herkünfte, Hautfarben und alte Leute wie auch junge. Weil man „um die Ecke“ einkaufen, essen, feiern und spielen kann. Gerade in Zeiten, in denen Bereiche des Alltags immer stärker auf das Internet und Bringdienste virtualisiert werden, steigt das Bedürfnis nach dem „echten Leben“. Das Bedürfnis nach den kleinen Lokalen, dem Schuster von Nebenan, einer tollen Schule, dem Spielplatz. Wir werden versuchen, das in Einklang zu bringen. Eine zentrale Paketannahme neben einem Kurzwarenhändler.
Wie wollen Sie dafür sorgen, dass die Bremer irgendwann tatsächlich von der „Überseeinsel“ statt vom „Kellogg-Gelände“ sprechen?
Meier: Gar nicht. Im Gegenteil. Die Überseeinsel ist eine 41 Hektar große Fläche, auf der das Kellogg-Gelände mit 15 Hektar ein wichtige Teilgröße ist. Die Kellogg-Höfe, das Kellogg-Quartier und das Atlas-Quartier sind wiederum Teilbereiche. Wir sehen im Namen einen positiven Bezug. In zehn Jahren heißt es: „Ich wohne im Kellogg-Quartier auf der Überseeinsel“.