Pay what you want! – KLUB DIALOG

Pay what you want!

Wenn der Kunde über den Preis entscheidet

Was sind den Kunden Dienstleistungen und Produkte eigentlich wert? Pay what you want! Zahl was du willst! Aber, was zahlen Kunden, wenn sie die freie Wahl haben und selbst den Preis bestimmen können – und zahlen sie überhaupt etwas dafür? Drei junge Unternehmen haben von ihren Erfahrungen mit diesem Preissystem berichtet.

Findus - Die gute Stube für Esskultur

Das Findus – Die gute Stube für Esskultur in Bremerhaven bietet Speisen, Kunst und Konzerte in gemütlicher Wohnzimmer-Atmosphäre. Wer hier etwas isst, zahlt anschließend, was es ihm wert ist. Dass dieses Konzept auch wirtschaftlich funktioniert, davon sind die Betreiber des Kulturcafés in der „Alten Bürger“, Fiona und Christian Brinker, überzeugt. Ihre Erfahrungen der vergangenen eineinhalb Jahre stützen diese Überzeugung.
Den beiden geht es darum, dass jeder ins Findus kommen kann, und keiner ausgegrenzt wird. Dabei stand und steht das Zahl-so-viel-du-willst-Prinzip gar nicht im Vordergrund ihres Projektes. „Das kam von ganz alleine“, sagt Fiona Brinker. Erst kurz vor der Eröffnung hätten sie sich Gedanken über die Preise im Findus gemacht, berichtet Bäckermeister Christian Brinker, der für das Studium der Lebensmittelwirtschaft vom Sauerland nach Bremerhaven kam. Dann entschieden sie, dass sie keine Preise vorgeben wollen. „Es ging vor allem um die Flexibilität“, sagt Fiona Brinker, die aus Bremerhaven stammt. So können sie viel leichter auf Kundenwünsche eingehen. Wer beispielsweise eine kleine Portion Nudeln essen wolle, könne diese auch bekommen und müsse nicht wie im Restaurant eine festgelegte Portionsgröße zum kalkulierten Preis nehmen, erklärt die 20-Jährige.

Auch wenn es den Untermietern in der Werkstatt 212 nicht um Kommerz, sondern um Kultur und die Kommunikation geht, unterm Strich muss genug zum Leben übrig bleiben. „Wir haben Gäste, die zahlen mal einen Euro mehr und welche, die zahlen weniger“, sagt Fiona Brinker, die früher mit dem Veranstaltungslabel „Bluedrop“ Veranstaltungen geplant hat. Es ginge ja um kleine Summen, das könne einer wieder ausgleichen. Bisher geht das Konzept für die beiden auf: Sie erwirtschaften den Wareneinsatz und haben auch genug Geld zum Leben übrig. Und wenn es nicht funktioniert? „Eigentlich wäre es logisch dann Preise zu nehmen“, sagt der 28-jährige Christian Brinker. Doch einen Wechsel wollen die beiden nicht, für sie hat sich das Zahl-was-du-willst-Prinzip bewährt. „Es ist eine schöne Freiheit“, sagt Fiona Brinker.

Christian und Fiona Brinker I Foto: Solveig Rixmann

Pay what you want! Zahl was du willst! Als Käufer die Kontrolle zu haben, den Preis selbst festzulegen, fühlt sich irgendwie ungewohnt an. Im Alltag begegnet einem dieses Preismodell eher selten, obwohl es eigentlich schon seit ein paar Jahren immer mal wieder ausprobiert wird. Es gibt unter anderem Gastronomiebetriebe, Hotels, Zoos oder Museen und sogar Großkonzerne, die ihren Kunden beim Preis die freie Wahl lassen. Radiohead ist vielleicht das prominenteste Beispiel. Im Jahr 2007 bot die britische Rockband den Fans an, den Preis für den Download ihres Albums „In Rainbows“ selbst zu bestimmen – und war damit außerordentlich erfolgreich. Noch vor Erscheinen des physischen Tonträgers hatte Radiohead mehr eingenommen als mit dem gesamten Verkauf ihres vorherigen Albums.

Die Klangstube

Foto: Die Klangstube

Auch das Tonstudio und Grafikdesignbüro Die Klangstube in der Bremer Überseestadt wollte keine festen Preise für ihre Arbeit nehmen, sondern ihr Unternehmen mit einem solidarischen Konzept betreiben. „Weil wir der Meinung sind, es ist egal wie viel jemand verdient, er soll ein Recht darauf haben, gute Musik aufzunehmen – und gutes Design zu bekommen“, sagt Jessica Holling, die Die Klangstube zusammen mit Sebastian Klann aufgebaut hat.

Doch nach einem halben Jahr mussten die Mediengestalterin und der Audio Engineer kürzlich die Notbremse ziehen. Die Start-up-Unternehmer hatten gehofft, dass diejenigen, die mehr Geld haben, mehr für die Dienstleistungen bezahlen und auf diese Weise auch die Musiker unterstützen, die sich eine solche Tonaufnahme oder ein Design finanziell nicht leisten können. Doch dem war nicht so. Im Schnitt hätten sie allerdings Verlust gemacht, berichtet die 24-jährige Jessica Holling. Viele der Musiker seien Hobbymusiker gewesen, die meisten hätten unterschätzt, wie lang Tonaufnahmen dauern und dass die Zeit für Aufnahmen auch individuell sehr unterschiedlich sein kann. Und weil es nur das Hobby sei, seien viele auch nicht bereit gewesen, viel Geld dafür auszugeben, berichten die beiden.
„Bei anderen Projekten funktioniert das wahrscheinlich, weil das alles kleine Beträge sind“, vermutet der 24-jährige Sebastian Klann. „Bei uns dreht sich das um große Projekte.“ Hätte eine Band für Aufnahmen das Tonstudio zum Beispiel zwei Wochen in Anspruch genommen, schnell mehrere Tausend Euro zu zahlen gewesen.
Die Hoffnung darauf, Teil einer solidar-ökonomischen Bewegung zu sein, haben die Jungunternehmer aber noch nicht aufgegeben. Gerade tauschen sie sich mit dem Verein Social Entrepreneurship Netzwerk Deutschland aus, um ein neues Konzept zu entwickeln, damit gute Musik und gutes Design doch noch solidarisch finanziert werden können.

Yummy Organics

Laura und Sameera | Foto: Yummy Organics

Das Bremer Start-up-Unternehmen Yummy Organics vertreibt fair gehandelte Gewürze über das Internet – und lässt dabei auch die Kunden den Preis bestimmen. Inhaberin Laura Brand tritt mit ihren Kunden in einen Dialog über den Preis. „Du hast es in der Hand. Wie viel ist dir ein fair produziertes Gewürz wert? Bei uns bestimmst DU den Preis“ ist als Erstes auf der Internetseite zu lesen. Hat sich ein Kunde für ein Produkt entschieden, kann er über einen farbig hinterlegten Schieberegler entscheiden, welchen Preis er für dieses Produkt zahlen möchte. Und er wird durch Infografiken und Bilder über die Auswirkungen seiner Entscheidungen informiert. „Klar, jeder liebt Geschenke – aber bist du dir auch über die Konsequenzen deiner Entscheidung bewusst?

Leider können weder wir noch die Bauern überleben, wenn wir unsere Produkte verschenken… Vielleicht überlegst du es dir ja noch mal?“ steht dort zum Beispiel, wenn der Schieberegler deutlich in den roten Bereich geschoben wird und ein Kunde das Gewürz für wenig Geld erwerben will. Ist der Preis deutlich im grünen Bereich, heißt es: „Danke, dass du die richtige Entscheidung triffst! Du kannst dir sicher sein, dass dein Geld gut investiert ist. Mit einem Preis im grünen Bereich können wir unsere Kosten decken, faire Löhne sichern und zusätzlich 50 % unserer Gewinne in soziale und ökologische Projekte vor Ort investieren.“
Sie habe vor dem Start des Unternehmens die Hoffnung gehabt, dass dieses Konzept aufgehe und die Studien – auch wenn es nur sehr wenige gebe –, die sie gelesen habe, hätten sie darin bestätigt, berichtet Laura Brand. Das System frei wählbarer Kaufpreise laufe sehr gut und sehr fair, erzählt die 33-Jährige. Laura Brand verspricht für ihre Produkte mittels eines Tracking-Codes volle Transparenz vom Anbau durch Kleinbauern aus Sri Lanka bis zur Lieferung nach Hause. Ein Teil des Gewinns soll in soziale Projekte vor Ort zurückfließen
Seit November ist ihr Projekt online. Und sie habe noch keine Bestellung gehabt, bei der jemand weniger als den kostendeckenden Referenzpreis von 6,50 Euro gezahlt habe. „Die meisten zahlen mehr – im Durchschnitt 20 Prozent“, sagt Laura Brand. Mit dem Schieberegler wolle sie nicht den Zeigefinger heben, sondern die Menschen informieren. Dagegen, dass dieses Preissystem zu sehr ausgenutzt wird, hat sie sich allerdings abgesichert: Es gibt eine technische Begrenzung, sodass niemand große Mengen zum niedrigen Preis kaufen kann, und der Mindestkaufpreis liegt bei einem Euro. Im Moment funktioniere das Unternehmen auch, weil sie ein Publikum anspreche, das die Philosophie von Yummy Organics teile und weil es noch ein kleines Unternehmen sei, erzählt Laura Brand. Aber auch ganz generell hat sie vertrauen in die Menschen: „Die Leute, glaube ich, sind doch fair und ehrlich.“
Die Klangstube sucht momentan noch nach einer für sie akzeptablen Variante; doch Findus – Die gute Stube für Esskultur und Yummy Organics sind mit ihren bisherigen Erfahrungen zufrieden. Auch wenn das „Zahl-so-viel-du-willst“-Preismodell Risiken birgt, es kann durchaus erfolgreich sein.

Die Autorin

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